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Medieninformatikpraktikum in Nepal

| Prof. Martin Kreyßig

Nepal ist sehr durcheinander. Alle Eindrücke, der Verkehr, der verwirrend ist, der Smog, der im Hals kratzt, die herzlichen Menschen, unbekannte Gerüche in der Luft (nicht nur gute Düfte) und alltägliche Reisen überwältigten uns zu Beginn. Wir genossen es, die farbenfrohe Bhouda Stupa zu sehen und die 365 Stufen zum Affentempel hinaufzugehen, nepalesische Delikatessen zu essen und mit den Einheimischen zu sprechen, während wir Dinge wie eine kalte Morgendusche erlebten und einige Tage Schwindelgefühle bekamen von Müllbergen der Staubstraßen. Es brauchte Zeit, sich an diese andere Welt mit ihren Höhen und Tiefen zu gewöhnen. Wenn man die Stadt verließ und auf das Land schaute, bemerkte man die Schönheit der Landschaft. Im Süden der Dschungel des Nationalparks, im Westen die Tourismusperle Pokhara. Alles im Schatten der monumentalen Berge des Himalayas. Genauso wie die Berge, ist der Reichtum an Kultur im Land fest verankert. Es werden so gut wie alle Feiertage, die man sich vorstellen kann, gefeiert. Denn neben Hindus und Buddhisten leben auch Muslime und Christen in der Hauptstadt – die Nepali ein Volk vieler Geschichten.

Für Jacqueline Kohrs und mich, Vardan Sharma, hatte sich im Studium die Gelegenheit ergeben, im Bachelorpraktikum etwas Verrücktes zu machen und verrückt wäre es gewesen diese Gelegenheit nicht zu ergreifen. Wir sind über Samira Jakobs, ebenfalls Studentin des Studiengangs Medieninformatik an der Hochschule Harz, die als Grafikdesignerin bei einer anderen Organisation in Nepal gearbeitet hat, auf Shanti Leprahilfe Dortmund gestoßen und haben uns dort beworben – mit der Idee frisch Erlerntes in besonderer Form anwenden zu können: Ein Kurzdokumentarfilm über die Hilfsorganisation in der Hauptstadt Kathmandu.

Der Film soll seine Betrachter motivieren, nach Nepal zu reisen und Entwicklungshilfe vor Ort zu leisten bzw. potentielle Spender vom guten Zweck der Organisation überzeugen. Der Film stellt Nepal vor, geht auf die wuselige schöne Stadt Kathmandu ein und stellt im Kontrast dazu die „Oase“ Shanti Sewa Griha mit ihren Einwohnern und Volontären vor.

Das Praktikum begann am 3. Oktober mit unserer Ankunft in Nepal und endete am 26. Dezember 2018. Da wir unsere Zeit hier sinnvoll nutzen wollten, um so viel Videomaterial wie möglich zu sammeln, den Schnitt und die Postproduktion aber anschließend in Deutschland durchzuführen, überschritt das Projekt den zeitlichen Rahmen des Praktikums.

Die Dreharbeiten konfrontierten uns immer wieder auch mit moralischen Fragen: wie dreht und arbeitet man mit geistig und körperlich eingeschränkten Personen? Schwierig war es auch Kinder zu filmen, ohne deren Aufmerksamkeit auf die Kamera zu lenken. Wir bewegten uns die ersten Wochen ohne Kamera auf dem Shanti Gelände, um die Menschen kennenzulernen. Dieser Schritt war notwendig, um das Leben und die Menschen in Nepal zu verstehen, besonders aber um Vertrauen aufzubauen. Erst im zweiten Schritt haben wir die Kamera mitgebracht und ohne Script gefilmt, sobald sich gute Situationen ergaben. Natürlich plant man trotzdem, um alle Aspekte des Themas einzufangen. Diesen methodischen Ansatz nennt man Direct Cinema. Man selbst spielt die Rolle des stillen Beobachters und zeigt im Film, wie man selbst da Neue und Unbekannte, in unserem Fall die Organisation wahrnimmt bzw. wahrgenommen hat, wenn man ankommt.

Nicht zuletzt haben mich die Lehren aus dem Jahresprojekt bei Prof. Martin Kreyssig begleitet, in dem ich vieles über Interviews, Arbeitsprozesse und Umgang mit Kunden gelernt habe. Auch andere Projekte im Studium, die Kunden involvierten, haben uns in dieser doch besonderen Situation sehr weitergeholfen.

Aus dieser Reise nehme ich auf jeden Fall ein anderes Selbst und auch ein verändertes Weltbild mit. Die Menschen, ihre Mentalität und Kultur in Nepal sind extrem verschieden zu denen in Deutschland, wenn nicht komplett anders. Man taucht in eine fremde Welt ein und lernt sie (ein wenig) zu verstehen. Der Blick auf die Armut vieler Menschen lehrt uns – für einen Europäer selbstverständliche – Dinge zu schätzen. Man nimmt aus dieser Reise sehr viel für sich selbst und die eigene Arbeit mit, weil man neue Erfahrungen mit Kunden, Erzählweisen und Filmtechnik gemacht hat und den Umgang mit einer anderen kulturellen Mentalität erlernen konnte. Man kehrt in allen Hinsichten reicher nach Hause zurück.

Das war unser erster Aufenthalt in Nepal – für mich aber definitiv nicht der Letzte.

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