Nach Oben

Game Design Veteran an der Hochschule Harz

| Robert Boehm

In der vergangenen Woche – am Donnerstag, dem 11.01.2018 und dem darauffolgenden Freitag – hat der renommierte Spieleentwickler Piori Cioni einen Workshop an der Hochschule Harz gehalten.

Der gebürtige Italiener arbeitet derzeit in Düsseldorf als Senior Game Designer für das Studio Ubisoft-Blue Byte, das unter anderem für namhafte Titel wie die Anno-, Die Siedler- und Assassin‘s Creed-Reihen bekannt ist. Darüber hinaus hat er bei verschiedenen europäischen Publishern Brettspiele veröffentlicht, darunter etwa das Stragiespiel Dakota.

Die Inhalte des Workshops waren auf beide Tage verteilt. In konzentrierter Atmosphäre wurden in kurzer Zeit zahlreiche Aspekte besprochen, inhaltlich ging es in bei der Vielzahl an Inhaltsgebieten in die Tiefe. Gleich zu Beginn gab Cioni Einblicke hinter die Kulissen der Spieleindustrie. So sprach er einerseits – anhand persönlicher Erfahrungen – darüber, wie es sich anfühlt, in der Branche tätig zu sein, welche Vorteile eine entsprechende Karriere mit sich bringt und auch darüber, was oft nicht beleuchtet wird: die negativen Seiten des Berufsfeldes.

Am Abend des ersten Tages war es den teilnehmenden Studierenden möglich, gemeinsam mit Cioni und dem hinter der Organisation des Workshops stehenden Professor D. Wilhelm in einem lokalen Restaurant einzukehren, einander kennenzulernen und Themen zu vertiefen.

Darüber hinaus ging er auch darauf ein, welche Qualifikationen ein Game Designer besitzen sollte und was das besondere an seinem Beruf ist: halb Künstler zu sein und halb Wissenschaftler.

Nach diesem zugleich kritischen wie motivierenden Einstieg wurde der Entwicklungsprozess von Spielen zum Thema – nicht nur von digitalen, sondern auch im analogen Bereich (also von Brett-, Karten-, Rollen- und sogar Partyspielen).

Besonders interessant für die Workshopteilnehmer war dabei, spezifisches Insiderwissen aus erster Hand zu erhalten, etwa über die besondere Situation des Brettspielmarkts in China.

Den eigentlichen Kern des Workshops bildeten Cionis Vorträge über Gamedesign. Dabei wurden sowohl gestalterische Prinzipien als auch abstrakte Mathematik erörtert, was dem angekündigten künstlerisch-wissenschaftlichen Ansatz durchaus gerecht wurde.

Hierbei ging es unter anderem um die grundlegende Definition wesentlicher Merkmale von Spielen. Obwohl besonders den Masterstudierenden dergleichen bereits zu Ohren gekommen war – den meisten mehr als einmal – blieb das Interesse konsequent erhalten. Dies lag nicht nur an Cionis exzellenter Vortragsweise, sondern auch an seiner besonderen Perspektive und vielen praktischen Beispielen aus seiner persönlichen Laufbahn.
Wertvolle Denkanstöße gab auch der spätere Teil des Workshops, in dem es um Kategorien und Aspekte ging, die bei der Entwicklung eines Spiels beachtet werden sollten. War bereits die Wiederholung der Grundlagen interessant gewesen, wurden hierbei teils völlig neue Blickwinkel eröffnet. Zuletzt gab Cioni Tipps, was bei der Konzeption von Spielen verhindert werden sollte und die Inhalte wurden – durchaus kontrovers – diskutiert.

Nach dem theoretischen Teil hatten die Teilnehmer Gelegenheit, Cioni eigene Arbeiten und Projekte zu zeigen und sein fachkundiges Feedback einzuholen, sowohl zu digitalen Games wie auch zu ihren im Studium entwickelten Brettspielen.

Als zusätzlichen Bonus hatten die Workshopteilnehmer Gelegenheit, zwei kurze, eingeschobene Vorträge von Doktoranden der Universität Leipzig zu hören, welche die Themen ihrer jeweiligen Dissertation vorstellten:

Die erste dieser Gastredner(innen) war Juhyung Shin aus Südkorea (Doktorantin an der Ritsumeikan University in Kyoto, aktuell in Leipzig im Auslandssemester), deren Arbeit sich mit der dortigen Bedeutung von analogen Spielen auseinandersetzt. Dies war besonders spannend, da solche dort einen völlig anderen Stellenwert als beispielsweise in Deutschland einnehmen: so ist das Spielen von Brettspielen in Südkorea ein Statussymbol gehobener Gesellschaftsschichten und die Spiele selbst sind oft politisch, etwa in Form spielbarer Satire.

Der zweite Redner, Konstantin Freybe, hatte sich sehr differenziert mit der Beziehung von Autor, Publisher und Spieler im Zeitalter von Globalisierung, postindustrieller Nationalökonomie und der Verlagerung sozialen Geschehens in digitale Medienwelten beschäftigt.

Insgesamt konnten die Studierenden faszinierende Einblicke in unkonventionelle Teilbereiche ihres zukünftigen Arbeitsfeldes gewinnen und trotz der kurzen Dauer des Workshops neue und wertvolle Kenntnisse erlangen.

Schlagworte: