Designwelten
Designerlebnisse sind schwer zu berechnen. Manchmal erkennt man, dass neben der Funktion die ansprechende Form unser Auge und die ästhetisch gewichtenden Neuronen reizt. Dann wieder ist es umgekehrt, eine ansprechende Gestalt funktioniert irgendwie nicht, das Handling oder die Usability ist weder gelungen noch nachvollziehbar. Nur wenn die Parameter kongenial zusammenfallen, Design als Anwendungsaufgabe stimmig, nachvollziehbar, selbst erklärend und international verständlich auftritt, wirken Gestaltung oder Objekte der Nutzung über den Moment ihrer Benutzung und die Zeit ihrer Entstehung hinaus.
Heute früh fand ich ein Designobjekt auf dem Boden liegen, aus dem die Luft entwichen war. Tot.
Design und Medieninformatik stoßen an der Nahtstelle zusammen, wo Funktionalität und Gestaltung anwendungsbezogen und kommunikativ agieren. Das kreative Designteam aus Programmierer und Gestalter, aus Projektmanager und Texter, aus Controller und Auftraggeber wird sich gegen die Konkurrenz nur durchsetzen können, wenn alle Gewerke konziliant miteinander umgehen. Im besten Fall sind die Strukturen nicht hierarchisch, sondern offen im Sinne des neugiereigen Verständnis für die Position und die Argumente der unterschiedlichen Aufgabengebiete.
„Form folgt nicht der Funktion, Funktion folgt der Vision, Vision folgt der Realität.“ Friedrich Kiesler (1890-1965).
Die beiden Filme von Gary Hustwit, die wir in diesem Sommersemester unbedingt anschauen müssen, kommunizieren unterschiedliche Designgeschichten. Im Film „Helvetica“ aus dem Jahr 2007, erschienen anlässlich des 50. Geburtstags der klassisch modernen Schrift, versammelt Hustwit unterschiedliche Designpositionen zum Verständnis und Einsatz dieser Typo. Der 2009 veröffentlichte Film „Objectified“ präsentiert Designansätze und Überlegungen, welche Rolle Design heutzutage spielt, wie es verstanden (gelesen) wird und wie entscheidend Design für den Verkaufs- und Kommunikationserfolg eines Gerätes, Objekts oder einer Applikation ist.
Ist jede Form der Gestaltung Design? Und was ist Gestaltung? Die weit gefächerte Bedeutung des lateinischen Wortes designere bietet einen Überblick auf das Begriffsfeld: bezeichnen, bestimmen, nachbilden, anordnen, aber auch „ein Amt wählen“. Ohne hier tiefer in die Designtheorie einzusteigen, die bereits mit Leon Battista Alberti (1404-1472) beginnt, möchte ich auf Schnittstellen zum Fach Medieninformatik hinweisen. Allgemein ließe sich Herbert Simon zustimmen, der 1969 in seinen >Design MethodsHeskett, John (2002): Toothpicks & Logo. Design in Everey Life, Oxford). Und Arne Scheuermann fasst zusammen: „Design ist also eine umfassende kulturelle Praxis: Gestalter, Rezipienten (Adressaten) und gestaltete Objekte sind genauso wie der Prozess des Gestaltens selbst ein Teil von Design. Dieser Prozess ist oberflächlich betrachtet in der Regel problemorientiert und zielgerichtet.“ (Arne Scheuermann: Theorie des Filmemachens, edition text + kritik, München 2009)
So darf man unumwunden sagen: Medieninformatik steht mit seinen technischen und gestalterischen Anteilen (fifty-fifty) in einem anwendungsorientierten Umfeld mitten im Kontext eines aktuellen Designbegriffs.
Ach, übrigens: Am Samstag 8. Mai ist der Tag der offenen Tür, da kann man sehen, hören und erleben, was die Studierenden alles unter Medieninformatik verstehen.