Exploring Ars Electronica 2011
Nur ein paar ausgesuchte Hinweise auf neue Attraktionen der diesjährigen Ars Electronica in Linz. Wer Lust auf mehr hat, schaut sich um. Der Einfachheit halber, habe ich die Texte von der Seite der Ars Electronica kopiert, ich hoffe, man sieht es mir nach, dreht sich doch vieles um „Spreading The News“ im guten Sinne.
1) http://newstweek.com/
„Die Medien sind das Nervensystem einer Demokratie. Wenn sie nicht funktionieren, funktioniert auch die Demokratie nicht.“ (Jeff Cohen, Leiter des Park Center for Independent Media)
Newstweek ist ein Gerät zur Manipulation von Nachrichten, die an WLAN-Hotspots abgerufen werden. Das in einen unauffälligen Netzstecker eingebaute Gerät, das aussieht wie ein Bestandteil der lokalen Infrastruktur, ermöglicht es, auf Laptops, Mobiltelefonen und Tablets gelesene Nachrichten zu editieren, ohne dass die User es bemerken.
Newstweek versteht sich als symptomatisch für unsere zunehmend medial vermittelte und von Konzernen bestimmte Demokratie. Während Nachrichten immer häufiger digital gelesen werden, findet ihre Verbreitung nach wie vor nach einem traditionellen Top-down-Modell statt, was sie anfällig macht für die Einflussnahme von Politikern und Konzernen, die immer schon versucht haben, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Newstweek greift in dieses Modell ein und bietet den Bürgern die Möglichkeit, ihrerseits die Medien zu manipulieren und ein wenig „an den Fakten zu drehen“, wenn diese über ein Drahtlos-Netzwerk laufen. Insofern kann Newstweek als taktisches Instrument zur Veränderung der öffentlichen Realität auf Netzwerk-Ebene betrachtet werden. Newstweek versteht sich auch als Warnung, dass eine prinzipiell mediendefinierte Realität immer auch manipulierbar ist. Heute, da digitale Geräte und die dazugehörigen Netzwerke zunehmend unseren Alltag durchdringen, wissen wir zugleich immer weniger, wie sie funktionieren, so dass der Manipulation von Fakten auf ihrem Weg von der Quelle zum Ziel (vom Server auf den Bildschirm) Tür und Tor geöffnet sind.
Mittels Newstweek manipulierbare Netzwerke sind z.B. Hotspots in Cafés, Bibliotheken, Hotels oder Universitäten, aber auch drahtlose Stadtnetze.
© Prix Ars Electronica 2011
2) http://www.transcribe-bentham.da.ulcc.ac.uk/td/Transcribe_Bentham
Transcribe Bentham ist ein innovatives Projekt zum Crowdsourcen der Transkription von Archivmaterialien. Es will die umfangreiche Sammlung von Manuskripten des bedeutenden Philosophen, Juristen und Reformers Jeremy Bentham (1748 – 1832) in der Special Collection des University College London zugänglich machen.
Transcribe Bentham baut auf dem Bentham Papers Database Catalogue auf, der zwischen 2003 und 2006 angelegt wurde. Diese Datenbank ist inzwischen als Suchwerkzeug für Wissenschaftler nicht mehr wegzudenken, aber ist für weniger spezialisierte Forscher, denen es um den detaillierten Inhalt der Manuskripte selbst geht, nicht wirklich geeignet.
Es war also eine Lösung gefragt, die mehrere Kriterien erfüllt: die Zugänglichkeit der Sammlung zu verbessern; die Langzeitarchivierung sicherstellen; eine im Volltext durchsuchbare Online-Sammlung der Bentham Papers zu schaffen.
Während der ersten zwölf Monate des Projekts werden ungefähr 20.000 Manuskripte digitalisiert und über eine spezielle Website zugänglich gemacht, sodass jeder, der sich für das Projekt interessiert, einen Account anlegen und uns bei der Transkription der Materialien bzw. beim Kodieren in XML nach den Standards der Text Encoding Initiative helfen kann.
Das Projekt ist in erster Linie für das Bentham Projekt der UCL von Bedeutung, wo eine Neuedition von The Collected Works of Jeremy Bentham vorbereitet wird. Die Redakteure haben damit Transkriptionsentwürfe zur Verfügung, und die Arbeit der Amateur-Transkribenten fließt direkt in die Collected Works ein. Das ist aufregend für die Transkribenten, weil sie nicht nur die Ergebnisse geisteswissenschaftlicher Forschung ernten, sondern an deren Entstehung unmittelbar beteiligt sind.
Die Transkripte, die im Zuge des Projekts entstehen, tragen auch zur Langzeitarchivierung der Bentham Papers bei und werden als voll durchsuchbare Datenbank innerhalb der digitalen Sammlungen der UCL verfügbar gemacht.
Bei diesem Projekt sind die Adressaten gleichzeitig auch die Teilnehmer, und das über alle nationalen Grenzen hinweg. Unter den Transkribierenden befinden sich Wissenschaftler, Studenten, Pensionisten und viele andere; die einzige Anforderung ist eine funktionierende Internet-Verbindung. Das Transkriptions-Interface könnte auch als Unterrichtswerkzeug verwendet werden, z.B. im Rahmen des Studiums der Paläographie. Genauso könnte es für Lehrer, Amateurhistoriker und Gymnasiasten, die Philosophie lernen, interessant sein. Aber auch andere internationale Forschungseinrichtungen werden von der Veröffentlichung des Transkriptions-Interface als Open-Source-Softwarepackage profitieren.
© Prix Ars Electronica 2011
3)
Boskoi ist eine mobile Applikation für Android, die einem hilft, durch die Landschaft des Essbaren zu navigieren. Es funktioniert als Tool zur „Futtersuche“ und zum Teilen von ethnobotanischem und ethnokulinarischem Wissen. Zum Einstieg bietet die Applikation eine Karte, die zeigt, wo in der Umgebung wildwachsende Nahrungsmittel gefunden werden können. User können neue Funde hinzufügen, spezielle Kategorien von Flora und Fauna auswählen und suchen und Benachrichtigungen über neue Funde in ihrer Nähe erhalten. Die App ist weltweit gratis auf dem Android-Markt erhältlich. Boskoi setzt auf der Ushahidi-Plattform auf und ist unter derselben Open-Source-Lizenz veröffentlicht. Bei neu hinzugefügten Daten wird überprüft, ob es sich um bedrohte und geschützte Spezies handelt. In enger Zusammenarbeit mit (Urban)Ökologen, Biologen, Botanikern, Köchen, Bio-Freaks, Techno-Nerds und begeisterten Bürgern wird die alte Kunst des „Nahrungssammelns“ auf eine zeitgemäße Plattform gebracht.
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4) http://deaddrops.com/
Dead Drops ist ein anonymes, offline Peer-to-Peer Filesharing-Netzwerk im öffentlichen Raum. USB-Speichersticks werden so in Wände, Gebäude oder Kantsteine eingebaut, dass sie für jeden öffentlich zugänglich sind. Schließe deinen Laptop an einem Haus, der Wand oder dem Pfosten an und teile deine Lieblingsdateien mit allen anderen. Jeder Dead Drop wird bis auf die readme.txt Datei, welche das Projekt erklärt, leer installiert. Alle können bei Dead Drops mitmachen. Wenn du einen Dead Drop in deiner Stadt/Nachbarschaft installieren willst, dann lese bitte die Anleitung „Wie mache ich einen Dead Drop“ und submitte Fotos und den Ort.
Das Dead Drops Manifest Dead Drops ist ein anonymes, offline Peer-to-Peer Filesharing-Netzwerk im öffentlichen Raum. Jeder hat Zugriff auf einen Dead Drop und jeder kann einen Dead Drop in seiner Stadt/Nachbarschaft installieren. Ein Dead Drop muss öffentlich zugänglich sein. Ein Dead Drop in geschlossenen Gebäuden oder auf Privatgrundstücken mit eingeschränktem oder zeitlich begrenztem Zutritt ist kein Dead Drop. Ein echter Dead Drop bindet sich als les- und beschreibbares Wechsellaufwerk in jeder Betriebssystemumgebung ein und benötigt keine spezielle Software. Dead Drops müssen nicht synchronisiert werden und/oder miteinander in Verbindung stehen. Jeder Dead Drop ist einzigartig. Ein besonders schöner Dead Drop zeigt nur den metallenen Typ-A USB Stecker und ist in eine Mauer einzementiert, so dass man ihn kaum bemerkt. Dead Drops brauchen keine Kabel oder Funktechnologien. Für Offline-Filesharing muss man in Kauf nehmen, auf der Erde zu knien oder sich die Jacke an der Wand dreckig zu machen. Ein Dead Drop ist ein einfaches, passiv mit Strom versorgtes Stück USB-Technologie, das der Stadt, dem einzigen wahren öffentlichen Raum injiziert wird. In einer Zeit mit wachsender Bedeutung von Cloudcomputing und „tollen“ neuen Geräten ohne Zugriff auf lokale Dateien müssen wir die Freiheit und die Verteilung von Daten neu überdenken. Die Dead-Drop-Bewegung ist auf dem Weg, dies zu ändern!
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5) http://grassrootsmapping.org/
Grassroots Mapping ist eine Gemeinschaft von aktivistisch agierenden Kartografen, die mittels Open-Source-Tools wie heliumgefüllte Ballons und Digitalkameras hochaufgelöste „DIY-Satelliten“-Karten generieren. Die Grassroot-Mapper kommen zwar aus so unterschiedlichen Teilen der Welt wie den West Bank oder dem Grenzgebiet zwischen Russland und Georgien, aber unser größtes Projekt fand am Golf von Mexiko statt, wo Küstenbewohner Dutzende von Luftaufnahmen der BP-Ölkatastrophe erstellten. Wir veröffentlichten die Aufnahmen als Public-Domain-Daten und machten sie damit frei zugänglich. So konnten Organisationen wie CNN, New York Times, The Boston Globe und sogar Google Maps unsere Daten während der von BP verhängten Nachrichtensperre, als konventionelle Journalisten die betroffenen Strände nicht betreten durften, wiederveröffentlichen.
Grassroots Mapping hat sich dank unseres Erfolgs beim Ballon-Mapping zu einer größeren Gemeinschaft von Bürger-Wissenschaftlern entwickelt, die nun neue Tools erfindet, die Bürger und Grassroot-Organisationen beim Sammeln und Analysieren von Umwelt- und Public-Health-bezogenen Daten unterstützen. Diese neue Initiative, das Public Laboratory for Open Technology and Science (PLOTS), entwickelt und fördert leicht zugängliche Open-Source-Technologien, damit Communities ihre lokalen Daten zu Umweltgesundheit und Justizfragen analysieren können. Als Teil dieses Prozesses stellt PLOTS auf PublicLaboratory.org eine Rechercheplattform zur Verfügung, wo sich Bürger, Aktivisten, Wissenschaftler, Sozialwissenschaftler und Technikexperten vernetzen können.
Wir wollen das Sammeln von Informationen durch Communities diversifizieren, unterstützen und aggregieren, um so den Prozess und die Definition von „Umweltforschung“ zu transformieren. Dazu arbeiten wir mit lokalen Gruppen zusammen, um Instrumente für eine „Bürgerwissenschaft“ zu entwickeln, die sich okalen Bedürfnissen und Zwängen anpassen können. Wir haben bereits die erste Generation von neuen DIY-Instrumenten entwickelt und getestet, z. B. eine Infrarot-Kamera, die Photosynthese und Pflanzengesundheit messen kann, ein Tool zum Aufspüren von Toxinen für den Roomba-Staubsauger und ein tragbares Spektrometer zum Messen von Umweltgiften.
© Prix Ars Electronica 2011
6) http://www.face-to-facebook.net/
Eine Aktion, die im letzten Jahr einiges an Aufsehen erregt hat, ist „Face to Facebook“ von Paolo Cirio und Alessandro Ludovico. Als dritter Teil der Hackertrilogie „Hacking Monopolism“ beschäftigen sich die zwei Aktionskünstler mit Social-Media-Plattformen, in diesem Fall Facebook, und mit der Frage von virtuellen Identitäten und ihrem Kontext. Was sie gemacht haben, ist Folgendes: Sie stahlen 1 Millionen Facebook-Profile, ließen sie von einer Gesichtserkennungssoftware nach diversen Kriterien sortieren und richteten mit diesen Informationen eine Online-Dating-Website ein. Auf dieser Website konnten UserInnen sowohl nach optischen Charakteristika, als auch über charakterliche Eigenschaften auf PartnerInnensuche gehen. Das Ziel der Aktion war die Frage, was mit diesen virtuellen Identitäten alles machbar ist, denn die Sicherheitshürden sind eher gering.
© Prix Ars Electronica 2011
7)
In a time in which digital cultural assets far outweigh analog, the ease with which we can now amass and exchange material has resulted in large personal collections of media data (music, films, series etc.). Julian Palacz has devised and developed a search engine that is able to enter text to search personal film and video archives for spoken language. An individual collection of films thus becomes a database of keywords and every spoken word or phrase in the archives can be searched. By entering a sentence like “i love her”, all film or video clips with this phrase will be shown in sequence. The selection of keywords therefore determines the process of resequencing image and sound in the film material. Algorithmic search for love creates an algorithm that unfurls for the viewer new possibilities for audiovisual narratives.
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8)
Generatives Video, Länge variabel, 2010
Vielleicht etwas Anregung für das 1. Semester.
9)
Six-Forty by Four-Eighty ist eine interdisziplinäre, interaktive Lichtinstallation, die aus magnetisch-haftenden Pixelbausteinen, Edelstahl und Fernbedienungen besteht. Die „Pixel“ reagieren auf Berührung, sie wechseln die Farbe und kommunizieren miteinander, indem sie den menschlichen Körper als Leitmedium für digitale Informationen verwenden. Sie lassen sich räumlich neu ordnen und zeitlich in einen Ablauf bringen, sodass man Lichtsituationen nach eigenen Bedürfnissen gestalten kann. Mit der Überführung des Pixels vom Bildschirm in den physischen Raum wird das Augenmerk auf die Materialität von Rechenprozessen gelenkt und es entstehen neue Gestaltungsmöglichkeiten.
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