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Feierliche Verabschiedung der Absolventinnen und Absolventen am Fachbereich Automatisierung und Informatik

| Prof. Martin Kreyßig

Die gewohnte Hierarchie verläuft doch so: Professorinnen und Professoren begleiten die Lern- und Praxisentwicklung der Studierenden während ihres Studiums. Doch begleiten nicht umgedreht auch die Studierenden uns Lehrende? Lernen, erfahren wir Dozentinnen und Dozenten nicht auch von den Studierenden Inhalte, Neuigkeiten, Praxis durch Referate, Projekte, Hausarbeiten und andere Prüfungsleistungen? Und wie steht es um die Hierarchie – der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und meint zusammengesetzt „heilige Führung“ –, wenn Studierende als heranwachsende Kolleginnen oder Kollegen auftreten, zuerst als Tutoren, dann als Lehrbeauftragte und schließlich, yes, als Professorinnen und Professoren?

Letzten Freitag am 26.11.2021 war es wieder soweit. Der Fachbereich Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz verabschiedete die Absolventinnen und Absolventen des Jahres 2021. In den Studiengängen Medieninformatik B.Sc. / Medien- und Spielkonzeption M.A. zählten sich 21 Bachelor- und 19 Masterabsolvent:innen zu den Glücklichen. Sie alle haben entweder ihr grundständiges Studium oder das weiterführende Masterstudium mit Erfolg bestanden. Wir alle gratulieren ganz herzlich!!! Und jetzt kommen sämtliche Namen, zuerst der Bachelorabsolventinnen und -absolventen:
Felix Altenhofen, Klaas Behrendt, Erik Bietz, Lisa Franze, Sina Herbig, Saskia Hustinx, Carolin Hoffmann, Pauline Lässig, Thi Dieu Minh Le, Sina Kern, Lauritz Manthei, Yannik Meinhardt, Fabian Müller, Navin Nadesan, Nicklas Partusch, Annika Piechutta, Lisa Renz, Lena Sartorius, Daniel Söhner, Wilhelm Tischbein und Axel Warg.
Und nun die Absolventinnen und Absolventen des Masterprogramm: Tabea von Hollen, Mohamed Marouane Ben Yahia, Lea Faulstich, Kajetan von Hollen, Benjamin Brunner, Christina Sofia Schwerdtfeger, Robin Ritter, Diana Mazmanyan, Alexander Johr, Florian Schorch, Vincent Fischer, An-Kristin Hargus, Shanice Hofmann, Franziska Bauer, Sabine Heyne, Julia Loges, Charlotte Häßler, Yifan Lang und Christopher Thiel.

Besonders möchte ich innerhalb der feierlichen Veranstaltung zwei Preise und zwei Reden hervorheben. Und nicht zu vergessen, die Musik.

Zwei Studierende aus dem Studiengang Medien- und Spielkonzeption M.A. erhielten einen Preis für die beste Abschlussarbeit. Tabea von Hollen erhielt für ihre Masterarbeit mit dem Titel „Entwicklung eines elektronischen Activity-Boards für Kinder“ den Preis des Förderkreis Hochschule Harz e.V., überreicht durch dessen Vorsitzende Frau Angela Gorr, MdL. Und Alexander Johr wurde mit dem diesjährigen Walter-Gießler-Preis ausgezeichnet, gestiftet vom Verein Freunde des Fachbereiches Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz (e.V.) und übergeben vom Vereinsvorsitzenden Prof. Dr. Sigurd Günther. Der Titel dieser ausgezeichneten Masterarbeit lautet: „Entwicklung einer Formularanwendung mit Kompatibilitätsvalidierung der Einfach- und Mehrfachauswahl-Eingabefelder“.

Die Musik war eine echte Premiere, denn die Kollegen Prof. Dr. Georg Felser (FB W) und Prof. Dr. Frieder Stolzenburg (FB AI) traten als Gitarrenduo auf und begleiteten den feierlichen Akt mit Saitenmusik. Ausbaufähig an Zahl und Qualität sind fachbereichsübergreifende Projekte allemal, die Academia spricht dann von ‚interdisziplinären‘ oder ‚multidisziplinären‘ Teams, aber eine vergleichbare musikalische Harmonie war im Audimax nie zu hören.

Vom Fachbereich Verwaltungswissenschaften hielt Emeritus Prof. Dr. Rainer O. Neugebauer eine emphatische Rede wider den dumpfen Zeitgeist und rund um das hell leuchtende Werk des charismatischen Komponisten John Cage (1912-1992). Dem Eigensinn und dem eigenen Denken zu vertrauen, das vorgeblich Randständige in den Blick zu nehmen, ja das Zentrum seiner Konzentration bewusst leer zu belassen, mit diesen Empfehlungen stimmte Kollege Neugebauer die Absolventinnen und Absolventen des technischen Fachbereichs der Hochschule Harz auf ungewohnt philosophische Weise ein, ihr Tun immer kritisch zu überdenken und auf seine Sinn stiftende bzw. sinnlose Form hin zu prüfen.

Die Rede kann hier heruntergeladen werden: RON_Wider_den_Zeitgeist_26112021

Die Tradition einer studentischen Dankesrede übernahm in diesem Jahr Alexander Johr, womit ich zum Anfang des Blogartikels zurückkehre. Das hat besonderen Charme, denn aka Alex hatte sein Bachelorstudium im Wintersemester 2011 in Wernigerode im Studiengang Medieninformatik B.Sc. begonnen und 2015 als einer der Jahrgangsbesten abgeschlossen. Manchmal, wenn ich ihn auf dem Flur traf, grübelte ich, welches Level seiner never-ending-education Alex jetzt gerade spielt. Das Thünen-Institut, sein Arbeitgeber derzeit in Braunschweig hat ihm eine Promotionsstelle angeboten, soweit zur Form einer beständig abnehmenden hierarchischen Schräge. Und nun überzuckerte er in einer gekonnten Lobrede seinen Werdegang in beiden Studiengängen, die jedweden Kommentar erübrigt.

Alexander Johr’s Rede im O-Ton:

»Sehr geehrte Professorinnen und Professoren und Mitarbeiter der Hochschule Harz, danke für die Organisation dieser Veranstaltung und die inspirierenden Reden.

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, wir – haben es geschafft! Die Abschlussarbeit liegt nun einige Zeit hinter uns. Aber, könnt ihr euch noch erinnern, wie anstrengend diese Zeit für euch war?

Wie fühlt es sich nun an, diesen Schritt hinter euch zu wissen? Merkt euch dieses Gefühl und erinnert euch in Zukunft daran, es ist ein ganz wertvolles. Heute wollen wir diesen Abschluss feiern!

Liebe Angehörige und Gäste, danke für ihr Erscheinen und Zuschauen, dafür, dass ihr Teil daran habt und ein letztes Mal eure Unterstützung zeigt. Für uns geht heute ein besonderer Lebensabschnitt zu Ende.

Ich blicke – wie wahrscheinlich die meisten – mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Zeit zurück. Jeder wird seine ganz eigene Geschichte von der Hochschule Harz erzählen können und ich fühle mich geehrt, dass ich meine mit Ihnen teilen darf.

Sie begann noch weit bevor ich anfing hier zu studieren, oder überhaupt daran zu denken. Wir, die wir aktuell vor Ort sind, haben uns im Audimax im Haus 9 zusammengefunden.

Vor vielen Jahren stand ich nicht weit entfernt von diesem Pult, als hier noch die Papierfabrik stand, die diesem Gebäude ihren Spitznamen verleiht. Denn ich bin hier auf dem Eichberg aufgewachsen. Als kleiner Junge freute ich mich riesig, als unsere Eltern meinen beiden Brüdern und mir zu Weihnachten eine Sega MegaDrive bescherten.

Während ich den blauen Igel Sonic über den Röhrenbildschirm flitzen ließ, wurde meine Faszination für Computerspiele und deren Konzeption und Programmierung entfacht. Niemals hätte ich mir träumen lassen, was die Zukunft für mich in petto hatte. Ich hatte mir eine akademische Laufbahn nicht vorstellen können. Obwohl ich bereits viel Zeit auf dem Campus verbrachte, während ich zur Grundschule ging.

Ich erinnere mich noch gut, dass ich mit meinen Mitschülern viel Zeit bei der Tasse und dem Schachbrett vergeudete, während ich doch eigentlich für die bevorstehende Matheklassenarbeit hätte pauken sollen, die ich daraufhin erstklassig versemmelte.

Manchmal ging ich auch alleine um die Gebäude und sah durch die Fenster fleißige Studierende sitzen, die dem Professor lauschten und ich dachte zu mir: “Du bist zu dumm dafür, da wirst du nie sitzen.” Ich hielt mich nicht geeignet für das Gymnasium und fühlte mich in der Realschule besser aufgehoben.

Ich schaffte gerade so den erweiterten Realschulbschluss. Allerdings nicht den Einstellungstest in der Sparkasse. Und entschied mich daher, das fehlende Wissen, im Abitur der Wirtschaftsinformatik nachzuholen. Dort kam ich zum ersten Mal mit der Informatik in Kontakt.

Und als ich noch während des Abiturs zum Tag der offenen Tür der Hochschule Harz in diesem Gebäude begeistert die Projekte der Medieninformatik ansah, wahr mein Wunsch klar: Ich wollte das Abitur so gut es geht abschließen, um Medieninformatik studieren zu können.

Es klappte und während der Erstsemesterbegrüßung erging es mir, wie vermutlich den meisten hier: ich traf zum ersten Mal auf eine Menge von Kommilitonen, die genauso tickten wie ich, die sich brennend für Themen der Informatik, Spiele, Film oder Animation interessierten.

Das Bachelorstudium war eine großartige Erfahrung. Damals, wie heute, wollte ich, dass diese Zeit nie endete. Doch der Masterstudiengang „Informatik/Mobile Systeme“, den ich hier beginnen wollte, wurde wegen zu geringer Anmeldezahlen abgeschafft. Ich beschloss zunächst in die Arbeitswelt zu gehen und nebenbei Hochschulen und Universitäten zu besuchen, um mich vielleicht irgendwann doch zu entscheiden, nach dem Schock der Bachelorarbeit, vielleicht doch nochmal einen Masterstudiengang auszusuchen. So verschlug es mich nach Braunschweig, Düsseldorf, Hamburg und schließlich sogar nach Aarhus in Dänemark. Doch keine Studieneinrichtung gab mir wieder dieses Gefühl, welches mich während des Tages der offenen Tür an der Hochschule Harz so beflügelt hatte.

Ich schob das Masterstudium vor mir her. Doch nach fünf Jahren, als ich mich bereits mit einer selbst programmierten Software in dem Betrieb, in dem ich arbeitete unentbehrlich gemacht hatte und mir als Software-Architekt ein Team unterstellt wurde, hörte der Drang weiterzustudieren nicht auf und ich war bereit, all das zurückzulassen.

Und so entschloss ich mich schließlich doch dazu, zurückzukehren, wo alles angefangen hatte und zu tun, wovon mir zuvor so viele abgeraten hatten: nämlich dort das Masterstudium zu beginnen, wo ich bereits den Bachelor absolviert hatte. Doch ich könnte nicht glücklicher über diese Entscheidung sein. Denn noch mehr als im Bachelorstudium waren die Möglichkeiten der individuellen Entwicklung gegeben.

So konnte ich mich mit einem Thema beschäftigen, für das ich schon so lange brannte: die Entwicklung von eigenen Effekten in der Computergrafik, der sogenannten Shaderprogrammierung. Darin ging ich auf, und die Hochschule bot mir nachfolgend sogar die Möglichkeit mein erarbeitetes Wissen als Lehrbeauftragter an die Studierenden des Bachelor-Studiengangs weiterzugeben.

Doch das Studium hielt noch weit mehr für mich bereit. Meine gesammelten Erfahrungen der Spiele und Shaderprogrammierung durfte ich in einem Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule Harz und der Tokyo University of Technology einbringen, um in einer Gruppe mit drei japanischen Studierenden ein mobile Game zu entwickeln.

Sollte unser Spiel zum Hundertjährigen Jubiläum des Bauhauses den Geist der Kunstschule gut einfangen, und von der Jury als gut befunden werden, so dürfte unser Team das Spiel im Goethe-Institut in Tokyo vorstellen. Und so kam es. Was dort passierte, war magisch und nichts, was sich mein junges Ich jemals hätte träumen lassen können.
Der Spieleentwickler Hirokazu Yasuhara, der maßgeblich an der Entwicklung der Sonic Spiele beteiligt war, besuchte die Ausstellung. Er gab mir nicht nur die Hand und signierte mir nicht nur diese Cartridge von Sonic the Hedgehog, nein, er spielte mit mir sogar das Spiel, welches ich für diese Ausstellung entwickelt hatte.

Für diese einzigartigen Momente bin ich ausgesprochen dankbar. Und so schließt sich der Kreis.
Dankeschön!«

Hier geht es zum  Blogbeitrag der Hochschule Harz.

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