iii – Immersion
Marshall McLuhan bezeichnete in seinem 1964 veröffentlichten Standardwerk „Understanding Media“ alle Medien als „Extension of Man“. Der Werkzeuggedanke, die Verlängerung unserer Fähigkeiten mittels Werkzeugen, erweitert sich um die audiovisuellen Welten, die wir als Repräsentationsformen dieser Welt um uns, als Extension der realen Welt errichten. Diese Bild- und Bedeutungsebenen sind uns Ersatz, Interpretation und perspektivische Folie, mit der wir aus der Gegenwart in Vergangenheit und Zukunft reisen.
Dabei versuchen wir diese künstlichen Gedankenräume so zu gestalten, dass sie uns positiv stimmen, uns für sich einnehmen, dass wir sie neugierig erkunden mögen und während dieser Reisen vollkommen entlastet rezipieren, wie im Kino. Einfach nur geniessen, ohne eingreifen zu können oder interaktiv agieren im Sinne aller partizipativen Modelle: Picture as a gateway for the viewer, for the body.
An der FH Kiel kamen an diesem Wochenende Techniker, Wissenschaftler und Designer zusammen, um ihre Forschungs- und Arbeitsergebnisse einander zu präsentieren, sich auszutauschen und dabei den Versuch zu unternehmen, die weit gespannten Begriffe Illusion, Immersion und Involvement zu diskutieren.
Ausgangspunkt vieler Forschungsansätze ist dabei der Mediendom, mit seiner 360°-Projektion. Erwachsen aus der Visualisierung des Sternenhimmels, zum ersten Mal 1923 in Jena im Planetarium der Carl Zeiss – Werke, werden heutzutage in diesen Theaterräumen zur Rotunde geformt, verschiedene Inhalte, Shows und Events präsentiert. Sie alle haben zum Ziel den Zuschauer zu fesseln, ihn in die akustisch untermalten Bildwelten eintauchen zu lassen (Immersion) und dadurch ein besonderes Medienerlebnis zu bescheren. Dies können fotografierte, gefilmte oder immer häufiger als 3D-Computergraphik produzierte virtuelle Bildwelten sein, die mit den entsprechenden Schnittstellen ausgestattet, auch interaktive Simulationen anbieten.
Oliver Grau versammelte in seinem eher farblosen (sic!) Vortrag eine Unzahl historischer und gegenwärtiger Rauminstallationen, die seit ehedem dem Wunsch der Produzenten entsprechen, die Zuschauer mit den Bildern nahezu physisch zu konfrontieren und so einen fließenden Übergang vom Bildraum zum somatischen Rezeptionsappparat zu ermöglichen. In den Kinowelten werden von Anbeginn emotionale Bild-, Ton- und Sprachwerkzeuge benutzt, um den Betrachter tief in das Geschehen zu involvieren. Funktioniert die Illusionsmaschine perfekt, öffnet sich dem Zuschauer durch Schnitt, Auslassung und bewusst herbeigeführte Effekte ein Kaleidoskop emotionaler Affekte, deren hohe Reizdichten nur im schwarzen, ortlosen Kinoraum eindringlich und nachhaltig wirken.
Heutzutage erweitern sich diese Registraturen um die erweiterten Möglichkeiten der partizipativen, interaktiven Schnittstellen und Lenkungsmodelle. Nun tritt neben die passive Rezeption der von Mihaly Csikszentmihalyi 1975 beschriebene Flow-Effekt aktiver Teilnahme am Geschehen („im Tun aufgehen“). Der Protagonist, dessen Avatar er im Spiel steuert, versinkt im intensiven Spielerlebnis, im Ringen um Sieg und Niederlage. Wie der Workaholic erlebt er die aktiven (Arbeits-) Prozesse nur mehr noch als rauschhaften Zustand glückhaften und zielgesteuerten Strebens. Immersion als wirkende explorative Aktivität und manchmal auch als Überwältigungsästhetik.
Spannend sind auch die Ansätze wissenschaftliche Ergebnisse und Daten im 360°-Raum zu visualisieren, besonders wenn die Datendichte so groß ist, dass der Nutzer (Reisende) tief in die Datenvisualisierung eintauchen muss, um einzelne Bestandteile in Funktion sehen und steuern zu können.
Insgesamt eine interessante Veranstaltung, die viele Aspekte angesprochen hat, die im Studium der Medieninformatik zum Alltagsgeschäft gehören.