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Kompetenzentwicklung

| Prof. Jürgen Singer

Die Erwartungshaltung an ein Studium ist klar: Man möchte hinterher mehr wissen als zuvor. Aber wieviel mehr an Wissen ist realistisch? Welche Probleme werden beim Wissenserwerb zu konfrontieren sein? In den Achtziger Jahren haben sich die Gebrüder Dreyfus mit dem Thema beruflicher Kompetenzentwicklung beschäftigt und sind dabei zu einem 5-Stufen-Modell für Fähigkeiten gelangt, wobei das Erreichen der einzelnen Stufen durch signifikante Änderungen im Denken und Handeln charakterisiert ist.

  1. Der Neuling: Er möchte ein unmittelbares Ziel erreichen. Da der Neuling nicht weiss, wie er adaequat auf Fehler oder Probleme reagiert, bricht schnell Verwirrung aus, falls solche auftreten. Der Neuling arbeitet am besten nach einem vorgegebenen Rezept.
  2. Der fortgeschrittene Anfänger: Sie sind gerade eben in der Lage Ratschläge im richtigen Zusammenhang zu nutzen. Es können bereits einige übergeordnete Prinzipien formuliert werden, aber es fehlt der Gesamtüberblick.
  3. Der kompetente Akteur: Er kann konzeptuelle Modelle der Lösungsdomäne entwerfen und mit diesen effizient arbeiten. Er kann neue Probleme lösen, gezielt Rat von Experten einholen und danach handeln. Er hat jedoch noch Probleme mit der Priorisierung bei der Problemlösung.
  4. Der Profi: Er denkt im grossen Zusammenhang und versteht das konzeptionelle Rahmenwerk. Er kann über seine bisherigen Lösungen reflektieren und sie dann verbessern. Er kann auch von anderen lernen und Maxime anwenden. Der Profi weiss aus Erfahrung, was im nächsten Schritt wahrscheinlich passiert. Er besitzt genügend Urteilsfähigkeit, um Prioritäten setzen zu können.
  5. Der Experte: Diese sind die Quellen von Wissen und Information. Experten arbeiten weniger mit Logik und Deduktion. Auf Grund Ihres großen Erfahrungsschatzes wissen sie intuitiv. Der Anteil an Experten an der Grundgesamtheit beträgt etwa 1-2 Prozent.

Der Grossteil der Bevölkerung ist in der Stufe fortgeschrittener Anfänger zu finden. Dies trifft auch nach dem Bachelor-Studium zu. In einigen Studienfächern gelangt man auch bis zur Stufe des kompetenten Akteurs. Die Zeitspanne vom Anfänger zum Experten liegt bei zehn Jahren und mehr, falls sie überhaupt jemals erreicht wird. Man hüte sich jedoch vor dem Dunning-Kruger Effekt, welcher besagt, dass Neulinge Ihre Fähigkeiten überschätzen. Das Paper Unskilled und Unaware of it: How Difficulties in Recognizing One´s Own Incompetence Lead to Inflated Self-Assessments ist inzwischen ein Klassiker.