– NEW KIDZ FROM THE BLOCK; AND THE CIRCLE; AND THE TRIANGLE –
Vor kurzem fand die dritte Ausstellungseröffnung im MUSEUM SCHIEFES HAUS in Wernigerode statt. Auf die Einzelausstellungen von Jonas L. Walter und Tobias Kruse folgen vier unterschiedliche Positionen zur Fotografie. Die Arbeiten von Johannes Heinke, Henriette Kriese, Nina Röder und Nora Ströbel changieren zwischen inszenierter und dokumentarischer Fotografie. Die Künstler verbindet die konzeptuelle Herangehensweise und die Ausbildung an der Bauhaus-Universität Weimar.
HENRIETTE KRIESE
Ich sehe was, was du nicht siehst
In dem Heim »Haus Lebensfreude« wohnen circa 50 Kinder und Jugendliche, die ein Leben mit unterschiedlich stark ausgeprägten Behinderungen führen. Am Stadtrand von Erfurt, umringt von Neubaublocks, führen diese Kinder und Jugendlichen ein Leben in ihrer ganz eigenen Welt, abseits der Gesellschaft. Dieses Heim und seine Bewohner besuchte Henriette Kriese über einen Zeitraum von einem halben Jahr und hielt ihre Eindrücke fotografisch fest. Um einen Einblick davon zu bekommen, wie die Bewohner ihre Welt wahrnehmen, gab sie einigen von ihnen Einwegkameras und bat sie, die Menschen und Dinge zu fotografieren, die eine besondere Rolle für sie spielen. Entstanden sind weder wohlkomponierte noch gut belichtete Fotos. Relevant ist, dass ein Eindruck der Gedanken und Bilder von den Kindern, die ihre eigene Welt nicht gut mit Worten ausdrücken können, und somit eine persönliche Annäherung entsteht.
JOHANNES HEINKE
through the khimar
Wie fühlt es sich an eine Stadt mit durchsichtigem schwarzem Stoff vor den Augen, zu erleben?
Was nehme ich noch von meiner Umgebung war, beziehungsweise wie verändert sich die Wahrnehmung?
Bei meinem Aufenthalt in Damaskus/Syrien im Frühling 2011, übte die Beobachtung von Frauen, welche vollständig mit einem so genannten “Khimar” verschleiert waren und selbst die Augen vom schwarzen Stoff verhüllt sind, eine starke Faszination auf mich aus. Die Thematik der Verschleierung, die einen immerwährenden Diskurs in unserer Gesellschaft darstellt, wurde in dieser Fotoserie allerdings nicht nur abgebildet, sie versteht sich vielmehr als Experiment diese Erfahrung zu interpretieren, indem der gleiche Stoff über das Auge des Fotografen – das Objektiv – gelegt und durch den Stoff hindurch fotografiert wurde. Neben der Tatsache, nicht alles in vollem Umfang sehen zu können, war der Aspekt, des “Selbst nicht gesehen werdens”, somit auch das Verstecken der eignenen Identität dieser Frauen ein weiterer Auslöser diese Serie zu fotografieren. Im Umkehrschluss wurde für die Umsetzung der Fotografien dieser Aspekt metaphorisch aufgegriffen, zumal die Umstände in Damaskus es für einen Fotografen nicht immer erlauben, sich mit einer größeren Kamera frei bewegen zu können – mit einer verschleierten, fast nicht sichtbaren allerdings schon.
So wird das Medium Fotografie auf mehrfache Weise mitreflektiert: Als abbildendes Medium einer eingeschränkten Sichtweise, einer Ich-Perspektive und als abbildendes Medium des Nicht-Sehens oder des Nicht-Sichtbaren.
Die Serie enstand im Rahmen eines Workshops der Burg
Giebichenstein Kunsthochschule Halle und der Arab International University
in Damaskus im März 2011.
NINA RÖDER
on being divine
Sphinx: „Bin ich die erste, Gott des Todes, der du das Kleid ausziehen musst?…
Anubis! Mein treuer Hund! Hör zu: Da unsere Gestalten nichts sind als Masken,
musst du mir deinen Schakalskopf geben.“Jean Cocteau „La machine infernale“ 1934
In Cocteaus surrealistischer Adaption des Ödipus-Mythos, ist nicht nur die Hauptfigur von einem vermeintlich vorherbestimmten Schicksal betroffen: Die Sphinx ist müde geworden und hinterfragt nicht nur ihre göttliche Aufgabe die Menschen von Theben zu töten, sondern auch die Absurdität ihrer Masquerade als totbringende Macht. In Cocteaus Drama definiert sich also eine absurde Dialektik, in der selbst die Götter ihrem eigenen Schicksal ausweglos und ohnmächtig gegenüber stehen. Nina Röder thematisiert in dieser Serie, wie schon in ihren früheren Arbeiten, das philosophische Konzept der Determination und vorallem die Frage nach (genetischer) Vorbestimmung, Schicksal und dem Freiem Willen. In dieser Arbeit greift sie auf Tierpräparationsrohformen zurück um die göttliche Masquerade zu illustrieren und zugleich als Metapher auf ihre süddeutsche Herkunft.
NORA STRÖBEL
Love is just a place
In der gehobenen Mittelklassegegend Almagro in Buenos Aires ist das Leben stiller als in anderen Teilen der Metropole. Auf nächtlichen Streifzügen durch die ruhigen Straßen trifft man nur vereinzelt auf andere Schlaflose, die ihren Hund ausführen oder ein letztes Bier am Kiosk kaufen. Wider Erwarten findet man hier „Albergue Transitorios“, Stundenhotels, die im Volksmund auch „Telos“ genannt werden. Orte, an die Paare gehen, um alleine zu sein und die, über die ganze Stadt von Buenos Aires verteilt sind. Verunsichert und gleichzeitig an-
gezogen kann man seinen Blick nur schwer von den leuchtenden Fassaden abwenden und erahnen, was hinter den verspiegelten Fenstern passiert.
Liebe ist nur ein Ort und hat in Almagro 24 Stunden geöffnet.