Out of Controller
„Das erste Ziel der Kunst des Schwertkampfes ist die Einheit von Kämpfer und Schwert. Wenn Schwert und Mensch eins werden, wird selbst ein Grashalm in der Hand zur starken Waffe. Das zweite Ziel der Kunst des Schwertkampfes ist: Das Schwert aus der Hand zu legen. Da man das Schwert auch im Herzen trägt, kann man seine Feinde mit bloßen Händen besiegen. Das höchste Ziel der Kunst des Schwertkampfes aber ist, sowohl auf das Schwert in der Hand als auch auf das im Herzen zu verzichten. Im Herzen sollte man das Wohl der Welt tragen und das bedeutet nicht töten. Das bedeutet Frieden.“ (König von Qin)
Dieses – zugegeben, etwas sperrige – Zitat aus dem Film Hero spiegelt ein zentrales Element im Verständnis der modernen ostasiatischen Kampfkünste wieder. „Den Feind kampflos zu besiegen, das ist die höchste Kunst.“ (Funakoshi Gichin) Dies schließt Methoden der Diplomatie und verbalen Konfliktlösung ein. Ergo leisten die Kampfkünste, richtig gelehrt und ausgeführt, paradoxerweise einen Beitrag zum friedvollen Miteinander. Die Komplexität beim Training erhöht sich dabei kontinuierlich: Zunächst müssen Wissen und Geschicklichkeit mühsam erlangt werden, bevor eine Reduktion der Mittel erfolgen kann. Erst wenn Gewandtheit und Präzision ein maximales Niveau erreicht haben, ist es möglich, ohne Schwert zu kämpfen oder gar ohne Kampf zu siegen. Ähnliches kennen wir aus dem Design-Prozess: Das gezielte Brechen von Regeln ist erst möglich, wenn diese erlernt und angewandt worden sind.
„A designer knows he has achieved perfection not when there is nothing left to add, but when there is nothing left to take away.“ (Antoine de Saint-Exupéry) Gutes Design entsteht durch das Entfernen unnötiger Bestandteile. Folglich ist es häufig notwendig, zunächst Komplexität aufzubauen, um anschließend reduzieren und die wichtigsten Funktionen herausarbeiten zu können. Das ist der Grund, warum Entwürfe und Prototypen vor der Umsetzung so wichtig sind.
Der erste erfolgreiche Arcade-Automat war lediglich mit zwei Drehreglern ausgestattet. Die zwei rechteckigen „Tischtennisschläger“ des Spiels Pong ließen sich mit diesen – später Paddles genannten – Eingabegeräten hervorragend steuern und bieten bis heute ein anspruchsvolles Spielerlebnis. Mit zunehmender Komplexität der Spiele und Erfahrung der Nutzer wurden auch die Eingabegeräte größer, umfangreicher und komplizierter. Die bei Arcade-Automaten gängigen Joysticks kamen anfangs noch mit zwei Steuerachsen und ein bis zwei Tasten aus. Bald aber explodierte auch deren Funktionsvielfalt und mündete in der Form heutiger Joypads. Der XBox-Controller von Microsoft z.B. bietet mit 10 Tasten, zwei Mini-Joysticks und einem D-Pad (Steuerkreuz) zwar eine große Vielfalt an Möglichkeiten, verschreckt aber vor allem Neueinsteiger mit seiner verwirrenden Komplexität.
Erst mit dem Erscheinen der Nintendo Wii Ende 2006 erfolgte eine Rückbesinnung auf eine geringere Zahl Bedienelemente und gleichwohl die Etablierung eines gestenbasierten Konzepts, das bis zu diesem Zeitpunkt unüblich für gängige Spielekonsolen war. Diese Entwicklung markiert einen Meilenstein in der Geschichte der Spielsteuerung und machte die Wii mit über 50 Millionen verkauften Exemplaren zur erfolgreichsten Konsole ihrer Zeit. Nicht zuletzt erschloss Nintendo damit völlig neue Zielgruppen.
Im Sinne der Kunst des Schwertkampfes möchte Microsoft nun noch einen Schritt weitergehen und den Controller gänzlich aus der Hand verbannen. So soll auf der E3 in Los Angeles das geheimnisvolle „Project Natal“ der breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dabei handelt es sich um ein Motion Tracking System, welches durch den Einsatz verschiedener Kameras (z.B. zur Abstands- und Wärmemessung) die Position und die Bewegung des Spielers im Raum auf ein digitales Skelett projiziert. Dadurch soll die Steuerung eines Spiels ganz ohne zusätzliche Hardware ermöglicht werden. Ob das System die hohen Erwartungen erfüllen kann, die bereits jetzt durch die Journalisten aufgebaut werden, bleibt abzuwarten. Ich persönlich freue mich darauf, Ende dieses Jahres den Controller aus der Hand zu legen.