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… und blutigen Megapostern

| Prof. Martin Kreyßig

Gleich der folgende Film auf der arte+7 Seite handelt unter anderem von Oliviero Toscani einem Enfant terrible der Kreativszene. Toscani ist Fotograf und Ideengeber für die Bekleidungsfirma Benetton, von 1982 bis 2000, gewesen. Er entwickelte äusserst polarisierende, dramatische Kampagnen, die nicht wie gewohnt Produktfotos von mageren Supermodels in Pullovern präsentierten, sondern soziale und politische Themen in den Vordergrund stellten. Er zeigte die blutverschmierte Kleidung eines gefallenen Soldaten im Bosnienkrieg auf 18/1 grossen Plakaten. Als Absender dieser verstörenden Botschaft im Stadtbild sah man lediglich das grüne Benetton Logo. Ein anderes Motiv zeigte einen Aidskranken kurz vor seinem Tod; eine weiß bekleidete Nonne, die einen schwarz gekleideten Priester küsst usw.. Die Litfaßsäulen und Bushaltestellen waren nicht mehr Hort der ästhetischen Zerstreuung sondern politischer Pranger. Toscanis Aktionen endeten häufig in juristischen Verfahren gegen die Firma Benetton, Boykotts der Käufer und sogar Gegendemonstrationen. Reißerisch, provokativ? Bestimmt, dennoch ergab sich eine breite Auseinandersetzung mit politischen Themen und die Frage welche Inhalte Werbung transportieren kann und darf, wurde neu gestellt. Das Unternehmen, ein scheinbar apolitisches Etwas, präsentierte plötzlich Verantwortungsbewusstsein. Sicher, erstmal nur in seiner Imagebildung, dennoch wird ein Unternehmen nur als authentisch wahrgenommen, wenn sich Aussendarstellung und operatives Geschäft entsprechen. 2011 – Toscani ist mit Benetton zurück und versucht sich an der gleichen Strategie. Tabubruch. Papst küsst Imam. Der Vatikan klagt bereits. Die Kampagne ist unter http://unhate.benetton.com/ zu sehen. Jetzt aber zum Film auf arte+7, dieser zeigt Toscani in der Rolle des italienischen Dieter Bohlens bei einer Fotocastingshow. Ziemlich unschön, ziemlich clownesk. Arrivederci Toscani.

Photo for Life

Oliviero Toscani

www.fabrica.it Designschule und Research Center von Toscani und Benetton

Toscanis Buch „Die Werbung ist ein lächelndes Aas“ ist durchaus einen Blick wert.